Classic Bootleg Reviews:

Aus Danny's Zauberkiste

Classic Bootleg Reviews: Steamroller Blues

Andreas Warmuth - Graceland Nr.100 / 1994


Steamroller Blues - Elvis
Recorded Live In Memphis

(Fort Baxter 2095)



Andreas Warmuth

Wir haben Stunden mit BMG telefoniert und uns den Mund fusselig geredet. Als BMG die Veröffentlichung der ehemaligen LP "Recorded Live In Memphis" im Rahmen ihres Mid-Price-CD-Kataloges ankündigte, setzte die EPG alles daran, daß das Konzert nach 20 Jahren endlich komplett veröffentlicht wird. Gut, damals hätte das komplette Konzert, das Elvis am 20.3. 1974 in seiner Heimatstadt Memphis gab, ohnehin nicht auf eine LP gepaßt. Logisch, daß da eventuell geschnipselt werden mußte. Aber jetzt, im Zeitalter der CD, mußte man dem Fortschritt und den Elvis-Fans Tribut zollen und die vollständige Aufnahme endlich ans Licht bringen. Doch BMG sah das anders: "Die CD wird mit genau dem selben Material veröffentlicht, das damals auch schon auf der LP zu finden war. Und keine Sekunde mehr!" Das Original-Konzept der ursprünglichen LP durfte ja auf keinen Fall verändert werden. Als man uns bei BMG München diese Tatsache aufzuschwätzen versuchte, wunderten wir uns ein wenig. Noch bei der NBC-Special-CD hatte man uns erzählt, daß diese acht Bonus-Songs beinhalten würde, um endlich einmal einen Gesamteindruc über das Special. so wie es damals 1968 geplant war, zu geben. Niemand beschwerte sich über diese sinnvolle Eränzung der NBC-Special-CD. Jeder begrüßte das "complete" Konzept, das BMG nach so vielen Jahren der Schluderei endlich anzustreben schien.



Bei Veröffentlichung der "His-Hand-InMine"-CD nahm man dann sogar drei Bonus-Gospels hinzu, die mit der ursprünglichen LP nichts, aber auch gar nichts zu tun hatten. Gospels, die bis zu acht Jahren nach den eigentlichen "His-Hand-In-Mine"-Sessions entstanden. Uns dann bei der "On-Stage-In-Memphis"-CD zu erzählen, "wir müssen Original-Konzepte einhalten" ist nicht nur unlogisch, sondern ganz offensichtlich gelogen! In letzter Zeit kristallisiert sich leider immer mehr heraus, daß sich BMGs Einstellung den Fans gegenüber nach anfänglichen Verbesserungen nun wieder zu verschlechtern scheint.




Wie dem auch sei; nachdem uns niemand bei BMG eine vernünftige Erklärung für eine erneute Veröffentlichung des verstümmelten Memphis-Konzertes geben konnte, kam plötzlich Fort Baxter mit der Ankündigung heraus, daß die komplette Show letztendlich doch noch veröffentlicht werden würde ... eben auf Bootleg!?

Anfang August 1994 war es dann endlich soweit. Selbst ich war gespannt darauf, denn von Elvis' Auftritt des 20.3. 74 hat es niemals einen Privatmitschnitt gegeben, auf dem man das Konzert komplett hätte hören können. Zuerst checkte ich die Spielzeit. Aus den schlappen 42,06 Minuten bei BMG waren nun stolze 68,35 Minuten bei der kompletten "Fort-Baxter"-CD geworden. Das waren über 26 Minuten, die uns da 20 Jahre lang weggekürzt worden waren. Wozu diese Verfälschung von Elvis' musikalischem Schaffen führen kann, hat uns Mike Rodger in seiner bekannten Elvis-Biographie gezeigt. Hier schrieb er, daß Elvis' Auftritte im Jahr 1974 schlecht waren und kaum mehr als 40 Minuten dauerten. Die RCA-Scheibe ließ diesen Schluß zu, die Originalaufnahme jetzt auf "Fort Baxter" jedoch zeigt, wie sehr Mike Rodger sich doch täuschte. Erneut beweist dies wieder, wie Elvis in seiner Karriere kaputtproduziert wurde. Folgende Lieder hören wir aus dem Konzert vom 20. 3. 74 auf "Fort Baxter" zum ersten Mal: "All Shook Up ... .. Steamroller Blues ... .. Teddy Bear Don't Be Cruel ... .. Love Me Tender ... .. Fever", "Polk Salad Annie-, "Suspicious Minds" und "Funny, How Time Slips Away".



Doch das ist längst nicht alles. Schon am Anfang wird man überrascht. Auf der RCAPlatte startete die Show nämlich mit einem erschreckenden Schnitt mitten im "Opening Thema". Bei Baxter gibt es nun erstmals das traditionelle "Also Sprach Zarathustra" als Zugabe. Weiter geht's mit"I Got A Woman". Das hatte RCA völlig verschnitten. Auf Baxter haben wir selbstverständlich die fast zwei Minuten längere Komplett-Fassung! Die Absage am Ende der Show ("Elvis has left for Graceland . . ."), die RCA fälschlicherweise völlig mit dem Closing-Thema vermischt hatte, ist hier auf Baxter erstmals im Original zu hören. Diese Fort Baxter" ist nun, sicher zur Freude vieler, erstmalig in Stereo! Das ganz geringe Laufgeräusch, das für Baxter schon fast typisch ist, ist auf der"Steamroller Blues" noch weniger zu hören als auf den anderen CDs dieser Serie, was die Tonqualität wirklich fast perfekt macht.



Für die sagenhafte Qualität der Bänder kann Baxter ja nichts. Aber alles, was die Jungs selber machen müssen, geht schief. Da wäre zum Beispiel das Cover. Die CD ist jetzt erstmals nur in einer Papphülle untergebracht. Was das soll, weiß ich nicht. Die gewöhnlichen Plastik-Trays kosten, in größeren Stückzahlen abgenommen, nur Pfennige. Die Covergestaltung an sich ist wieder einmal armselig. Der Titel nimmt wieder einen Großteil der Vorderseite ein. Für zwei kleine Fotos blieb da nur im äußersten rechten Drittel Platz. Die Bilder sind absolut unqualifiziert ausgesucht. Gerade von der MemphisShow des 20.3. 74 gibt es haufenweise gute Farbfotos. Baxter zog es vor, drei Bilder aus der College-Park-Show des 28.9. 74 für das Cover zu verwenden.



Inhaltlich hat man das einzige falsch gemacht, was es falsch zu machen gab. Man hat nämlich, vor allem am Ende der Aufnahme, die unveröffentlichten Aufnahmen, die die unbearbeitete Hallenatmosphäre aufweist, mit den bekannten RCA-Aufnahmen vermischt. Die haben, wie wir wissen, eine stark bearbeitete Publikumsreaktion. Das klingt jetzt beim Lesen schlimmer als es ist. Wenn man nicht darauf achtet, kriegt man es erst gar nicht mit. Nur wenn man das Ganze z. B. über Kopfhörer hört, wirkt es schon etwas konfus. Zu allem Überfluß hat man sich nicht viel Mühe gemacht, die Schnitte, die dabei entstanden, wegzumastern. Das geht heute kinderleicht und kostet nur wenig Mühe. Aber, wie oben erwähnt, die Baxter-Leute scheinen sich mit der Veröffentlichung ihrer Schätze etwas zu überfordern. Wenn die Jungs nicht so gute Bänder hätten, würden sie ganz schön dumm aus der Wäsche gucken mit ihrer Schlamperei



Doch wie immer bei "Fort Baxter", sieht man über solche Mängel hinweg und freut sich über das neue Material in fast perfekter RCA/BMG-Qualität. "Steamroller Blues" und "Polk Salad Annie" hätte man z. B. damals auf LP niemals wegschneiden dürfen. Hören Sie sich diese fantastischen Versionen an. Bei "Fever" ruft eine Frau Elvis zu, daß sie gerne einen Schal von ihm hätte. Da sie einige Reihen von der Bühne entfernt sitzt, sagt Elvis zu ihr: "Baby, ich kann nicht so weit werfen. Es sei denn, ich wickle einen Stein in den Schal." Oder ist Ihnen schon mal aufgefallen, daß bei "Don't Be Cruel" irgendein Instrument eine Telefonklingel imitiert, während Elvis die Textzeile: - . . at least please telephone" singt? Das sind zwar nur Nebensächlichkeiten, aber das fasziniert mich, denn bei Publikumsmitschnitten geht so etwas natürlich völlig unter.



Zum Abschluß bleibt folgende Frage: Schon als 1979 das Soundtrack-Bootleg-Album 'Viva Las Vegas' (Lucky Records) herauskam, konnte man auf den Auslaufrillen der LP den Satz "Es leben die für RCA verlorengegangenen Erträge" lesen.



Schon damals ließ sich diese Firma die Wurst vom Brot nehmen, indem sie den Kunden nicht das bot, was diese haben wollten. Und heute, 15 Jahre später, hat sich an dieser traurigen Tatsache nichts geändert. Noch immer sind die Jungs nicht wachgeworden. Sei es nun in Hinsicht auf den verpaßten "LostPerforrnances"-Soundtrack, der mittlerweile in drei (!) Bootlegauflagen fast ausverkauft ist, oder sei es in Hinsicht auf das komplette Memphis-Konzert. Liebe BMG: "Wenn Ihr Bootlegs bekämpfen wollt, dann überlaßt den Bootleggern nicht die besten Sachen. Wacht endlich auf und verwaltet das Erbe des Mannes, der Euch so viele Millionen verschafft hat, so, wie er es erwartet hätte und so, wie die zigtausend Fans, die heute noch Elvis' Platten kaufen, es verdient haben.



Resümee: Wer jetzt noch die verstümmelte RCA-CD "On Stage In Memphis" kauft, ist selbst dran schuld. Eins ist klar: Wer die "Steamroller-Blues"-CD nicht gehört hat, der wird sich niemals einen Gesamteindruck über das fantastische, historische MemphisKonzert des 20.3. 1974 machen können. Da die Tonqualität der"Fort Baxter" sehr nah an die der BMG-CD herankommt, besteht eigentlich kein Grund mehr dafür, die zerhackte BMG-Aufnahme zu kaufen. Viva Lost Wages!



Thema 2001 / C.C. Rider /I Got A Woman - Amen (jetzt viel länger) / Love Me / Trying To Get To You / All Shook Up / Steamroller Blues / Teddy Bear - Don't Be Cruel / Love Me Tender / Rock 'n' Roll Medley / Fever / Polk Salad Annie / Why Me Lord / How Great Thou Art / Suspicious Minds / Bandvorstellung Blueberry Hill Can't Stop Loving You Help Me / An American Trilogy / Let Me Be There / My Baby Left Me / Lawdy Miss Clawdy / Funny, How Time Slips Away / Can't Help Falling in Love
Closing Vamp / Absage



Ach noch was: Joe Tunzi hat in seinem Buch "Recording Sessions" geschrieben, daß während dem Meinphis-Konzert ein falscher Start von "Help Me" und Elvis' Dank an seine "GepäckTruppe" zu hören sein sollen. Beides ist auf der neuen Fort Baxter nicht zu hören!

Sehr schöner Beitrag Denis;
ich habe diese Baxter CD auch, ja stimmt, man hört den Schnitt zwischen den damals veröffentlichen - und den von Baxter eingefügten Tracks.

Baxter ist überhaupt ziemlich schlampig was die Covers angeht (zumindest die ersten Veröffentlichungen), da stimmt teilweise die Nummerierung der Songs nicht mit deren Ablauf auf der CD überein.
Die späteren Sachen wurden dann allerdings besser.
Gibbet eigentlich Baxter noch?