Es sprach sich schnell in der gesamten DDR herum, dass es nun in Ost-Berlin einen Elvis Club bzw. eine „IG Elvis Presley“ gab. Die Anfragen für eine Aufnahme darin häuften sich.
Aber auch die Presse erfuhr davon, und mich erreichte die Frage einer Fotojournalisten nach Fotos von Elvis für das Jugendmagazin „Neues Leben“. Dort sollte im Januar 1990 ein Interview mit Sam Phillips abgedruckt werden, und sie suchte dafür unbekanntere Bilder als die, die damals so im Umlauf waren. Ich willigte ein, aber mit der Bitte doch wenigstens unsere Adresse mit zu veröffentlichen. Also suchte ich eine Handvoll seltener Bilder aus meinem Repertoire heraus und übergab sie, was sich später als Fehler herausstellen sollte.
In der Redaktion des Magazins schien es noch mehr Elvis-Fans zu geben, denn die Bilder wurden gestohlen. Der Fotoredakteurin war dies peinlich und sie schwieg lange dazu. Erst nach vielen Nachfragen von mir rückte sie mit der Sprache heraus, und ich bekam einen finanziellen Ausgleich, um mir neue Fotos zu kaufen. Ende gut, alles gut – schließlich erschien der Artikel im sogenannten Wendeheft, und auch unsere Adresse befand sich gut lesbar in der Mitte einer Seite. Dies wiederum führte zu weiteren zahlreichen Anfragen aus der ganzen DDR.
Apropos Wendeheft und DDR: Das Oktober-Treffen unserer Interessengemeinschaft war schon recht gut besucht, und das Interesse der Fans an Infos war noch riesig. Ich erinnere mich noch gern daran, wie eine von mir mitgebrachte Elvis-Single bestaunt wurde. Aber auch die sich zu dieser Zeit bereits überschlagenden politischen Ereignisse im Lande waren ein Randgespräch unter den Fans.
Das November-Treffen verlief genauso und niemand konnte erahnen, was sich ein paar Tage später ereignen sollte. Der Mauerfall war für uns Elvis-Fans ein doppelter Eintritt ins Schlaraffenland, endlich konnte man sich seine Platten aussuchen und brauchte dafür nicht mehr „Beziehungen“ und viel Geld. Manch einer ärgerte sich, als er sah, was seine teuer auf dem Schwarzmarkt erstandenen „Raritäten“ in Wirklichkeit im Laden kosteten.
Wie ich schon schrieb, war der Mauerfall für uns einzelnen Elvis-Fan ein Traum, für uns als Club stellte sich jedoch eine neue schwierige Aufgabe. Wir, als noch junger „Ost-Club“, hatten nicht die Beziehungen und Möglichkeiten eines schon lange existierenden „West-Clubs“, von denen es ja schon mehrere gab. So wechselten vor allem die Nichtberliner schnell die Fronten und in unserem Club wurde es ruhiger, was wir schon bei dem Dezember-Treffen bemerkten.
Aber es gab ja nicht nur „West-Clubs“, die uns die Mitglieder wegschnappten, sondern auch tatsächlich welche, die an ernsthafter Zusammenarbeit interessiert waren. So meldete sich bei uns ein Club aus Lüneburg, der ein Treffen von Ost- und Westberliner Fanclubmitgliedern organisierte. Bei diesen sehr freundlichen Gesprächen wurden tatsächlich Freundschaften geknüpft. Und es reifte die Idee einer Party zu Elvis‘ Geburtstag im Januar 1990.
In unserem “jugendlichen Leichtsinn“ sagten wir zu, diese zu organisieren, obwohl keiner von uns eine Ahnung hatte, wie man das macht. Eine Lokation wurde schnell gefunden, da es in Weißensee das Kulturhaus „Peter Edel“ gab, mit einem großen Saal und einer festen Bühne.
Also fragten wir bei dem Kulturbund der DDR an und bekamen ohne Probleme die Zusage, dort die erste Elvis-Party steigen zu lassen. Die einzige Bedingung war, dass wir alle Kulturbundmitglieder reinlassen müssen zum üblichen Preis von 1,- DDR-Mark. Das war uns völlig egal, wir dachten, umso mehr kommen ja, dachten aber nicht weiter, was sich später noch bemerkbar machen sollte.
Nun liefen die Vorbereitungen auf Hochtouren. Ein DJ mit seinem Equipment wurde besorgt, und er bekam von uns noch Kassetten mit Elvis-Musik, schön sortiert nach R‘n‘R, Lovesongs usw.
Die Lüneburger besorgten uns den Elvis-Imitator Dirk Jüttner aus Westberlin und wir Hendryk Fischer aus Weißensee. Wir arbeiteten ein Quiz-Spiel aus und kümmerten uns auch um ein Büfett, da es im Kulturhaus nur Getränke gab. Das Büffet wurde aber unser schwierigster Teil, denn wir wussten ja nicht, wie viele Leute kommen würden. Wir wurden mutig und bestellten eins für 100 Personen, da wir einen Eintrittspreis von 5,- DDR-Mark festlegten, dachten wir, dass es dadurch bezahlt wird.
Der Tag der Party rückte näher, und ich will jetzt nicht nur über den doch sehr guten Erfolg der Party schreiben, sondern einmal mehr davon erzählen, was hinter den Kulissen passierte. Den ersten Schreck bekamen wir einen Tag zuvor, als wir die Mitteilung bekamen, dass wir den großen Saal nicht benutzen dürfen!!! Im Zeichen des Umbruches rechneten die Verantwortlichen nicht mit einer großen Party und der Aufwand wäre zu groß für sie. Einen schriftlichen Vertrag hatten wir nicht, also was nun? Man bot uns dafür eine große Nische mit dazu gehörigem kleinem Saal an. Zähneknirschend schmückten wir also die Nische aus und warteten, was passieren würde.
Langsam füllte sich der Saal, und sehr schnell bemerkten wir, dass wir bei unseren Kalkulationen einen kleinen aber wichtigen Teil übersehen hatten. In der DDR war eigentlich fast jeder Mitglied im Kulturbund – sei es als Briefmarkensammler, als Hobbyfotograf usw. – und somit waren sehr viele Elvis-Fans, die kamen, zwar kein Mitglied bei uns, jedoch Mitglied im Kulturbund und brauchten dadurch nur die obligatorische eine Mark zu zahlen. So kam am Ende natürlich nicht das Geld für das teure Büfett wieder rein, aber egal, da mussten wir erst einmal durch.
Mit dem DJ hatten wir leider auch keinen guten Griff gemacht, statt am Anfang für Stimmung zu sorgen, ließ er einfach das Band mit den R‘n‘Roll-Songs durchlaufen. Im Nebenraum probte Dirk Jüttner mit seiner Band, wobei schon viele Besucher zuschauten und wodurch der Hauptsaal nicht so voll war. Trotzdem wurde es Zeit für mich, meine erste große Rede vor Publikum zu halten. Auch wenn es „nur“ eine Eröffnungsrede war, mein Herz klopfte riesig und ich zitterte mich da irgendwie hindurch.
Der erste Programmpunkt war der Auftritt von Hendryk Fischer, der seine Sache damals doch recht gut machte und für etwas Stimmung sorgte. Anschließend legte der DJ auf und es wurde getanzt, besonders fielen uns dabei einige Pärchen auf, nicht nur durch die Petticoats der Damen.
Alles lief gut und als nächster Höhepunkt kam der Auftritt von Dirk Jüttner. Aber plötzlich erhielten wir eine schlechte Nachricht, Dirk ist bei seinen Proben die Hose gerissen und er hat keine als Ersatz mit. So musste er schnell nach Hause, schnell war gut, er musste durch die halbe Stadt. Die Zeit verging und das Publikum wurde bereits unruhig. Da kam uns eine super Idee: Machen wir doch einfach einen Rock‘n‘Roll-Tanzwettbewerb! Schnell fragten wir einige Paare und alle machten mit.
So überbrückten wir die Zeit, bis endlich Dirk Jüttner mit seiner Band zum Auftritt bereit war. Auch er kam sehr gut an und sorgte für eine gute Stimmung.
Weitere Bilder findet ihr im Bereich: Unserer Clubgeschichte: 1990
Der weitere Abend verlief ohne besondere Vorfälle. Wir bekamen überwiegend Lob und auch einige neue Mitglieder. Von unseren kleinen Pannen merkte kaum jemand etwas. Dank einer Spende des Lüneburger Fanclubs hielt sich unser Minus an dieser Party doch etwas in Grenzen. Das wichtigste aber war für uns, dass wir im Namen von Elvis eine schöne Party hatten.
Werner Strube