Felton Jarvis

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13 Jan. 2004 18:06 #235686 von Gelöschter Nick
Felton Jarvis wurde erstellt von Gelöschter Nick
Felton Jarvis bezieht hier für meine Begriffe mehr Schelte als er verdient hat. Er war sicherlich kein Phil Spector und wird wohl auch nicht so schnell auf der Liste der größten Produzenten der Rockmusik erscheinen. Höchstwahrscheinlich wird er das nie. Er war auch kein Sam Phillips. Auf der anderen Seite ist es aber auch nicht ganz fair, ihn nun wieder als unfähigen Stümper oder totaler Versager darzustellen. Immerhin hat Felton Jarvis Elvis länger als jeder andere Produzent begleitet und war - anders als Chips Moman oder Steve Binder - wohl mitunter auch mehr als das.

Wenn man die Diskussionen so verfolgt, dann kann man bei genauerem Hinsehen des Eindrucks nicht erwehren, dass Felton hier und da immer mal wieder für Elvis' mangelnden Chart-Erfolg in den 70ern verantwortlich gemacht wird. Auf der anderen Seite wird eine Stellvertreterin (also eine Interims-Verantwortliche) wie Joan Deary hoch gelobt, weil sie zwei erfolgreiche Alben "produziert" hat. Joan Deary hat meines Wissens keine einzige Minute mit Elvis im Studio verbracht, ihn gefordert, ermutigt oder auf irgendeine sonstwie "kreativ" zu nennenden Weise unterstützt. Alles Dinge, die Felton zumindest versucht und m. E. vielfach auch erreicht hat.

Wie ich an anderer Stelle schon erwähnte: Es gehört nicht sonderlich viel dazu, zwei Hit-Alben zu produzieren, wenn alles, was man zu tun hat ist, den Aufnahme-Knopf zu drücken und ein paar Formalitäten zu erfüllen. Wenn das zum Produzenten qualifiziert, okay. Ansonsten hat sie Mrs Deary hauptsächlich mit dem Zusammenstellen und Managen von Compilations einen Namen gemacht. Diese waren aus demselben Grunde erfolgreich wie es die Shows waren. Weil Elvis drauf stand und - für die Leute klar ersichtlich - Elvis drin war. Nicht mehr, nicht weniger. Und wer bereits in den 80ern Fan und auf der Suche nach gutem Elvis-Material war wird vielleicht wissen, wie gut Joan Deary ihren Job gemacht hat ...

Felton hingegen stand spätestens ab 1973 vor ganz anderen Aufgaben. Er hatte nicht eine Legende zu verwalten, sondern hatte (beinahe "tagtäglich") mit einem echten Vollblutmusiker und Jahrhundertalent zu arbeiten. Und wie das Jahrhundertmusiker so an sich haben. Es ist nicht immer ganz einfach mit ihnen. Dass er es schwieriger hatte als jeder andere Produzent, der mit Elvis gearbeitet hat, dürfte nicht nur aus diesem Grunde klar sein. Felton war zudem auch noch schwer krank. Jetzt kann man sagen, er hätte aufhören sollen. Nun, hätte er wirklich ...? Und selbst wenn, was wäre besser geworden?

Felton Jarvis haftet das Wort "Overdbub" an wie Elvis Presley das Erdnussbutter-Bananen-Sandwich. Beide auf diese Begriffe zu reduzieren wäre wohl ziemlich pauschal und dumm. Felton hat teilweise "überproduziert", das steht außer Frage. Das taten aber auch andere. Chips Moman war in dieser Hinsicht ebenfalls nicht unbedingt ein Kind von Traurigkeit. In manchen Fällen (In The Ghetto und Any Day Now) schmerzt es geradezu und nicht umsonst waren und sind entsprechende Bootlegs so legendär und werden auch Veröffentlichungen wie FTDs "The Memphis Sessions" derart hoch im Kurs bei den Fans. Ein Argument ist in diesem Zusammenhang immer wieder, "dass man dort endlich einmal hört, was wirklich im Studio geschehen ist." Die Alt. Takes von In The Ghetto waren zumindest für mich persönliche eine Offenbarung.

Desweiteren sollte man nicht vergessen, dass der heute häufig als bombastisch empfundene Sound der späteren 60er und 70er Jahre einfach zeitgemäß war. Felton Jarvis war nicht der einzige Produzent, der Streicher und Bläser ausgepackt hat. Trotzdem käme niemand auf die Idee, jemanden wie Phil Spector für seine Overdubbs zur Verantwortung zu ziehen. Selbst von eingefleischten Beatles-Fans habe ich gehört, dass sie Let It Be in der Originalversion der abgespeckten und unlängst erschienenen Version vorziehen. Ist es da Feltons Schuld, dass er seinem Star einen einigermaßen zeitgemäßen Sound verpassen wollte? Wäre Elvis nach den ersten paar Songs so ungeheuer unglücklich mit dem Ergebnis gewesen - er hätte wohl kaum zugestimmt, dass es in dieser Art weitergeht. Der Typ hat sich durch Dutzende Takes gequält, nur um aus einem Film-Song auch noch das letzte bisschen Leben rauszuholen. Ob ihm da das Endprodukt so ungeheuer egal gewesen sein kann?

Anders als seine Vorgänger, musste sich Felton in seinem Produktionsstil geradezu "anpassen". Denn anders als sie hatte er richtig etwas zu verlieren. Zu keiner Phase in Elvis' Karriere hatte ein Produzent oder Verantwortlicher eigentlich etwas falsch machen können - außer Steve Sholes vielleicht. Sam Phillips? Okay, er hat nebenbei Elvis Presley entdeckt. Hätte er es nicht getan, würde ihn heute niemand vermissen. Die Geschichte, von der wir nicht wissen, ist unerheblich für ihren Fortgang. Chet Atkins? Leiber Stoller? Meine Güte, was konnte man 1957/58 und 1960 denn falsch machen? Hätte jemand 1960 Mist gebaut hätte alles Welt gesagt: "Okay, das war klar, die Luft ist raus." Man hätte es auf Elvis oder die musikalische Entwicklung oder beides geschoben. Das TV-Special hätte man gut versemmeln können - aus denselben Gründen. Und selbst ein Chips Moman - ohnehin kein sonderlicher Elvis-Freund - hätte mit seiner Billanz an Hits ebenfalls locker sagen können: "War doch klar, die Luft war eben raus. Mit dem war nicht zu arbeiten", oder sonst etwas in der Art. All die anderen hatten nichts zu verlieren. Felton hatte, spätestens nach "Aloha" ein wirkliches Problem. Aus den Erfolgen der Jahre 1972/73 hätte er nämlich eigentlich etwas machen müssen. Das ist einfach gesagt, denn irgendwo war er der erste, der vor einer solchen Situation stand.

Felton Jarvis hat Elvis zu einem Zeitpunkt übernommen, als der wirklich jemanden brauchte, der ihn auf eine andere Art unterstützte als jemand, der 12 Film-Songs durchknüppelte, koste es, was es wolle. Nicht Felton Jarvis hat die Billig-Produktion einiger Mitt-60er Soundtracks erfunden, die von vielen Fans zu Recht bemängelt werden. Ein großer Teil der "Spirits", den How Great Thou Art versprüht geht auf Feltons Kappe. Wohl nicht umsonst hat sich Elvis mit einem persönlichen Brief bei ihm bedankt, nachzulesen in Ernst Jorgensens "A Life In Music". Wenn ein Elvis Presley General McArthur zitiert ("I shall return" = "Ich werde mich erkenntlich zeigen / es zurückzahlen"), dann geschieht das wohl nicht mal einfach so ... Was Elvis damals braucht, war ein "Feel-Good"-Produzent. Jemanden, der ihm Vertrauen gab, der ihn ermutigte, der ihm sagte "das und das machst du gut, - mach weiter! Wir finden den richtigen Sound schon noch ..." Jemanden, der dachte und Musik machte wie er. Und den fand er im Elvis-Fan Felton Jarvis. Felton ließ Elvis machen. Vielleicht ist das der Vorwurf, den man ihm am ehesten machen kann. Dass er zu sehr involviert war und geleichtzeitig - als Fan - einfach zuviel durchgehen ließ. Mit Chips Moman hätte Elvis niemals so arbeiten können.

Felton hat echt einen Scheiß-Job übernommen, wenn man es mal ganz direkt sagen darf. Wäre etwas schief gegangen, er hätte es sich persönlich ewig zum Vorwurf gemacht. Machen müssen. Denn mal im Ernst: Hätte er 1966 nicht an Elvis geglaubt. Er hätte wohl kaum die Ruder in die Hand genommen, oder? Er hatte nicht nur Elvis' Karriere mit in der Hand, sondern auch einen großen und wichtigen Teil seines eigenen Lebens.

Felton hat für eine der wohl wichtigsten Sessions der späteren 60er Jahre Elvis mit Jerry Reed zusammengebracht, ohne dessen Sound die "Guitar Man"-Sessions (und die nachfolgende "US Male"-Session) wohl kaum zu dem geworden wären, was sie später wurden. Ein weiterer Schritt auf dem Weg zum Comeback - und nebenbei eine Gelegenheit, bei der mal eben so der Country-Rock erfunden wurde. Zeitgleich bastelte zwar auch Bob Dylan in Big Pink am Country-Rock ... Aber das geschah, ohne dass beide voneinander gewusst haben werden - praktisch eher zufällig.

Das Zusammenkommen der 1970er Nashville-Truppe geht auf Feltons Kappe, ebenso wie sein Versuch, Elvis zu besseren Songs zu führen, die nicht aus der Hill and Range-Ecke kamen, wie "Burning Love". Und ich persönlich fand es erstaunlich und irgendwie auch rührend, Felton Jarvis dort in TTWWI SE mit den Background-Singern im Hotel sitzen zu sehen, wie er sich bemüht, die Proben zu arrangieren und etwas auf die Beine zu stellen. Dass er sich 1976/77 den A*sch aufgerissen hat, um wenigstens etwas aufzunehmen, was er verwenden konnte ... Was ist daran falsch? Was macht ein Produzent, wenn sein Star partout nicht mehr ins Studio will? Ist es (alleine) seine Schuld, wenn der ins Studio kommt, die Kopfhörer aufzieht, nur um sie dann mit dem Kommentar "Ich kann einfach nicht mehr" in die Ecke zu schmeißen?

Der Mann hat - wie übrigens viele andere - eine tickende Zeitbombe begleitet und versucht, sie vor dem Explodieren zu bewahren. Dass es so war - und dass es ihm nicht geglückt ist, das aufzuhalten - hat dann, denke ich, die Geschichte bewiesen. Aber das, was er getan hat, war dann im Ganzen doch bedeutender als die Summe der Einzelteile. Es gibt vielleicht nicht die Single oder das Album, die man direkt mit ihm in Verbindung bringt wie man Suspicious Minds mit Chips Moman in Verbindung bringt. Und Felton war vielleicht auch kein Hit-Produzent - obwohl ein gutes Dutzend, oder so, Top 20 Singles etwas ist, was andere bestimmt gerne für sich unter "erreicht" verbucht hätten. Felton Jarvis war einfach da. Und meistens hat er - und das für eigentlich eine verdammt lange Zeit - einen ziemlich guten Job gemacht. Auch wenn er Elvis vielfach einfach bei der Stange gehalten hat. Ich bin mir nicht sicher, wer sonst das gemacht hätte. Im Übrigen hätte ja auch er durchaus hinschmeißen können. Hat er aber nicht ...

Also, was ist so schlimm an Felton Jarvis?? Sind es ein paar missglückte Produktionen oder Overdubbs, an denen der Zahn der Zeit nun einmal genagt hat wie an vielen anderen Songs jener Tage? Und ist sein übriger Verdienst um Elvis Presley wirklich so einfach dagegen aufzurechnen?

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13 Jan. 2004 22:20 #235803 von Manhattoe
Manhattoe antwortete auf Felton Jarvis
Großartiges Posting, see-see-rider. :beifall:

Ich stimme Dir komplett zu. Dieses Rumgehacke auf Felton Jarvis kann nur auf eine sehr einseitige Sicht der Dinge beruhen,
und ich habe das hier auch schon mehrfach geäußert.

An Deinem Posting schätze ich sehr, dass Du das "Problem" Jarvis sehr differenziert unter die Lupe genommen hast.

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14 Jan. 2004 14:18 #236143 von edde
edde antwortete auf Felton Jarvis
coolozz wo bleibst du?? :rolling2: :clown:

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14 Jan. 2004 18:12 #236259 von Taniolo
Taniolo antwortete auf Felton Jarvis

An Deinem Posting schätze ich sehr, dass Du das "Problem" Jarvis sehr differenziert unter die Lupe genommen hast.

:up: :up: :up:

Genau das zeichnet das Posting und genau so eine konstruktive Kritik aus. :beifall:

... with a barefoot ballad you just can't go wrong.

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14 Jan. 2004 21:54 #236361 von coolozz
coolozz antwortete auf Felton Jarvis
Also,ich fasse mich etwas kürzer :clown: See See,vergleiche doch mal den Sound anderer Sänger/Bänds aus dieser Zeit...Hast Du z.b. gewusst das Bill Porter z.b.für die "Elvis is Back" Aufnahmen ausgezeichnet wurde?Vergleiche mal die Vierspuraufnahme von der Spring Tours die Porter machte,mit der von In Concert 77
Vielspuraufnahme von Falton die auch schon remastered wurde...

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14 Jan. 2004 22:30 #236394 von Gelöschter Nick
Gelöschter Nick antwortete auf Felton Jarvis

See See,vergleiche doch mal den Sound anderer Sänger/Bänds aus dieser Zeit...Hast Du z.b. gewusst das Bill Porter z.b.für die "Elvis is Back" Aufnahmen ausgezeichnet wurde?

Was hat das eine mit dem anderen zu tun? An welche Musiker/Bands denktst du denn da? Und was genau sollte man da vergleichen?

Vergleiche mal die Vierspuraufnahme von der Spring Tours die Porter machte,mit der von In Concert 77
Vielspuraufnahme von Falton die auch schon remastered wurde...

Entschuldige, aber ich hatte leider noch keinen Zugang zu beiden, weder den Vierspurbändern von Bill Porter noch zu denen von Felton Jarvis.

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14 Jan. 2004 22:47 #236399 von Heiko
Heiko antwortete auf Felton Jarvis

Felton Jarvis bezieht hier.....

:up:

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15 Jan. 2004 08:14 #236526 von Taniolo
Taniolo antwortete auf Felton Jarvis

Felton Jarvis bezieht hier für meine Begriffe mehr Schelte als er verdient hat. Er war sicherlich kein Phil Spector und wird wohl auch nicht so schnell auf der Liste der größten Produzenten der Rockmusik erscheinen. Höchstwahrscheinlich wird er das nie. Er war auch kein Sam Phillips. Auf der anderen Seite ist es aber auch nicht ganz fair, ihn nun wieder als unfähigen Stümper oder totaler Versager darzustellen. Immerhin hat Felton Jarvis Elvis länger als jeder andere Produzent begleitet und war - anders als Chips Moman oder Steve Binder - wohl mitunter auch mehr als das.


Eben! Wäre tatsächlich unfähig gewesen, hätte er sich bei Gott nicht so lange gehalten. Mit dem oben Zitiertem ist vielleicht nicht alles, aber doch vieles gesagt.

Hier wird ja keineswegs versucht schönzureden, was nicht schön war. Aber dafür bleiben die Füsse auf dem Teppich.

... with a barefoot ballad you just can't go wrong.

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15 Jan. 2004 09:01 #236532 von Mickey
Mickey antwortete auf Felton Jarvis
Wenn das kein klasse Beitrag ist... Also, ich bin froh, dass see-see-rider zurück ist! :beifall:

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15 Jan. 2004 21:43 #237047 von coolozz
coolozz antwortete auf Felton Jarvis

Vergleiche mal die Vierspuraufnahme von der Spring Tours die Porter machte,mit der von In Concert 77
Vielspuraufnahme von Falton die auch schon remastered wurde...

Was hat das eine mit dem anderen zu tun? An welche Musiker/Bands denktst du denn da? Und was genau sollte man da vergleichen?

Also,vergleiche doch einfach mal selber,so schwer ist das nicht... ;)


Entschuldige, aber ich hatte leider noch keinen Zugang zu beiden, weder den Vierspurbändern von Bill Porter noch zu denen von Felton Jarvis.


Tja,ich auch nicht,aber die Aufnahmen gibts auch offiziell.Im Media Markt zum Beispiel :grin: Aber mal im Ernst:Wozu die Originalbänder? Joan Deary sagte doch schon,das die Aufnahmen von "In Concert" `ne Katastrophe sind (Soundmassig)und sie hatte das Mehrspurtape vorliegen..und es ist doch komisch das jedesmal wenn Falton mal nicht dabei war,der Sound in der Aufzeichnung besser war.MSG etc..erinnere dich
mal an das Statemant von Bill Porter das im BIB Magazin erschienen ist.Bill sagt dort Falton war ein guter Organisator aber technisch ("zwischen den Zeilen" )`ne Flasche.kurzum lieber,See see ein Hitproduzent war er auf jeden Fall mal nicht....

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